
Wundermittel Design Thinking. Funktioniert das auch für den Aufbau starker Marken?
In der heutigen Arbeitswelt ist Innovationskraft ein wesentlicher Erfolgsfaktor geworden. In diesem Kontext kommt heute niemand mehr an der agilen Methode Design Thinking vorbei. Es scheint das neue Wundermittel für alle Probleme zu sein, an denen wir uns bisher die Zähne ausgebissen haben. Aber funktioniert Design Thinking auch für den Aufbau starker Marken?
Als ich begann, mich intensiver mit Design Thinking zu beschäftigen, entdeckte ich sehr schnell viele Ansätze, die ich bereits seit vielen Jahren aus der Markenführung kannte: Dass der Kunde im Mittelpunkt steht und dass es darum geht, einen echten Mehrwert zu schaffen – das wurde bereits in der gängigen Marketingliteratur der 80er Jahre als wesentlicher Erfolgsfaktor erkannt. Warum also wird Design Thinking plötzlich als so neue und einzigartige Disziplin wahrgenommen? Und was können wir daraus lernen, um Marken erfolgreich zu positionieren und weiterzuentwickeln?
Erfolgreiche Marken sind eine Frage der Haltung
Im Marketing herrscht immernoch ein großer Mythos: für den Aufbau einer erfolgreichen Marke benötige ich vor allem ein großes Marketingbudget und viele kreative Menschen, die außergewöhnliche und hochemotionale Werbekampagnen entwickeln. Schauen wir aber auf die wertvollsten Marken der Welt, erkennt man schnell, dass die nicht stimmt. Denn Marken wie Amazon, Google & Co. sind deshalb so erfolgreich, weil sie sich trauen anders zu sein und ihre einzigartigen Werte konsequent und konsistent in ihrem Geschäftsmodell verankern. Dafür braucht man jedoch keine teuren Werbebudgets. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Haltung, die auch dem Design Thinking zugrunde liegt: Offenheit, Empathie, Wertschätzung und Konsequenz. Damit wurde mir schnell klar: Design Thinking ist nicht nur eine Methode für Innovationen, sie funktioniert auch für Aufbau und die Entwicklung starker Marken. Ich habe aber auch erkannt, warum die Erfolgsfaktoren in der Praxis allzu oft fehlen.
Erfolgsfaktor Offenheit: Freude am Scheitern schafft echte Begeisterung
Ein zentrales Element des Design Thinking ist das Experimentieren. Das frühzeitige und regelmäßige Testen von Ideen und Prototypen mit dem Kunden ermöglicht es, alles über den Nutzer zu erfahren. Auf Basis des Feedbacks werden die entwickelten Lösungen und definierten Probleme so lange angepasst, bis ein echter Mehrwert und Begeisterung beim Kunden entstanden ist. Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung dieses Ansatzes ist, dass die den Prozess gestaltenden Personen ihr Handeln und die formulierte Problemstellung ständig hinterfragen und offen dafür sind, ihre Ideen so lange anzupassen, bis sie den (wirklichen) Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Es geht also darum, das Streben nach echter Innovation über die eigene Angst vor Veränderung zu stellen und den Erkenntnisprozess trotz des vorherrschenden Gefühls des Scheiterns zu Ende zu führen.
Auch bei der Entwicklung von Markenstrategien sind die Kundenbedürfnisse der Ausgangspunkt. Diese werden in umfangreichen Analysen erforscht und darauf aufbauend kundenzentrierte Strategien entwickelt und getestet. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass daraus ein echter Mehrwert und eine echte Innovation entstehen. Wenn Scheitern als Versagen oder Karrierekiller angesehen wird, bleiben wir oft auf sicherem Terrain. Erst wenn wir Raum für das Unerwartete schaffen und Freude am Scheitern entwickeln, kann daraus etwas wirklich Neues mit absoluter Relevanz für den Kunden entstehen. Es braucht auch Anerkennung für den Mut, Dinge nicht mehr zu tun, und Ausdauer, den Prozess so lange zu gestalten, bis ein echter Kundennutzen erreicht ist. Vertrauen in den Prozess zu haben und den richtigen Rahmen dafür zu schaffen, ist ebenso Voraussetzung wie die Bedürfnisse der Kunden nicht nur zu kennen, sondern auch zu spüren.
Erfolgsfaktor Empathie: fühlen, was den Kunden bewegt
Um herauszufinden, was Kunden wollen, ist der erste Schritt oft eine Befragung. Anonyme quantitative Befragungen werden häufig durch qualitative Interviews, Fokusgruppen oder Influencer-Workshops ergänzt, um die Ergebnisse besser einordnen zu können. Vergleichbare Methoden werden auch in Design Thinking Prozessen eingesetzt. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Art und Weise, wie Kundenbedürfnisse analysiert und bewertet werden. Ziel ist es, den Kunden nicht nur zu verstehen, sondern sein Problem und seine Bedürfnisse zu fühlen. Dies geschieht zum einen durch die intensive Beobachtung von Verhalten, Körpersprache und Mimik in Ergänzung zum Gesagten. Zum anderen wird die Analyse in dem Kontext durchgeführt, in dem der Kunde sein persönliches Problem erlebt, z.B. bei der Auswahl von Produkten.
Für die Entwicklung einer einzigartigen und innovativen Markenstrategie bedeutet dies, sich emotional auf den Kunden einzulassen und die Befragungen dort durchzuführen, wo das Problem entsteht: in einem Kindergarten, beim Kunden zu Hause, in einem Krankenhaus oder wo auch immer die Rahmenfaktoren Einfluss auf die Emotionen des Kunden haben. Wenn es mir gelingt, im echten Leben zu spüren, welchen emotionalen Mehrwert ich dem Kunden bieten muss, um sein Problem zu lösen, ist der erste Schritt zu echter Innovation getan. Ein weiterer besteht darin, auch unerwartete Erkenntnisse zu erkennen und in den Lösungsprozess zu integrieren.
Erfolgsfaktor Wertschätzung: um anders zu sein braucht es Mut, das andere zu sehen
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor im Design Thinking ist die Wahrnehmung und Wertschätzung aller Informationen im Erkenntnisprozess. Um das eigentliche Problem und einen möglichen Mehrwert für den Kunden zu erkennen, werden durch einen permanenten Perspektivenwechsel Unterschiede in den Informationen herausgearbeitet und Raum für Neues und Unerwartetes geschaffen. Eine möglicherweise zuvor aufgestellte Hypothese über das Problem des Kunden wird im Laufe des Prozesses immer wieder in Frage gestellt und alle Informationen werden wertgeschätzt – auch wenn sie das eigene Handeln in Frage stellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich das entwickelte Ergebnis an den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden orientiert und nicht an den Zielen der Akteure oder Entscheidungsträger. Das ist einer der zentralen Faktoren, warum Design Thinking so erfolgreich ist: Es schafft echte Innovation, weil unerwünschte Informationen nicht ignoriert werden, sondern zentral in den Lösungsprozess einfließen. Und in der Markenführung?
Um möglichst schnell zum Ziel zu kommen, die Organisation nicht zu „stören“ oder das bisherige Handeln nicht zu kritisieren, werden oft – bewusst oder unbewusst – nur die Informationen aufgenommen und berücksichtigt, die ins Bild passen. In der Folge wird auf alten Pfaden weitergemacht, obwohl die Konkurrenz bereits auf den Fersen ist oder die Entwicklung einzigartiger Produkte eigentlich einen Richtungswechsel erfordern würde. Und genau hier liegt der Schlüssel, warum Produkte oder Strategien, die im Rahmen eines Design Thinking Prozesses entwickelt werden, in der Regel so erfolgreich sind: Die am Lösungsprozess Beteiligten haben den Mut, auch dort hinzuschauen, wo es vielleicht weh tut. Sie sind in der Lage, Informationen zunächst wertfrei aufzunehmen und zu entscheiden, welche Informationen wesentlich sind, um das Problem des Kunden im Kern zu verstehen und für ihn einen echten Mehrwert zu schaffen. Wenn es uns gelingt, diese Haltung zur Grundlage unseres Handelns und Entscheidens zu machen, sind wir auf dem Weg zu echter Innovation – vorausgesetzt, dieser Weg wird konsequent beschritten.
Erfolgsfaktor Konsequenz: nicht die erste, sondern die beste Idee gewinnt
Sind alle Informationen zusammengetragen und das eigentliche Problem definiert, folgt als letzter Schritt des Design Thinking-Prozesses das Prototyping. Hier werden die neuen Ideen in Modelle umgesetzt und so lange angepasst, bis eine geeignete Lösung gefunden ist. Es geht darum, ins Tun zu kommen und aus der Visualisierung der Ideen einen Lernprozess anzustoßen. Dieser Weg ist manchmal steinig und frustrierend und es ist immer wieder verlockend, die nächstbeste statt der optimalen Lösung zu wählen. Hier sind Ausdauer und Konsequenz in der Umsetzung der Erkenntnisse gefragt.
Markenverantwortliche durchlaufen diesen Prozess jedoch meist nicht mit der notwendigen Konsequenz. Aus Zeitmangel und dem Wunsch nach schnellem Erfolg wird oft die erstbeste Idee umgesetzt, ohne noch einmal zu hinterfragen, ob diese Lösung das Kundenproblem auch wirklich löst. Die Folge: Es werden hohe Investitionen in die Umsetzung und Vermarktung getätigt, ohne dass das vermarktete Produkt für den Kunden relevant ist oder bereits am Markt existiert – ein echtes unternehmerisches Risiko. Markenstrategien hingegen, die das Prototyping als Lernprozess nach dem Design Thinking Konzept konsequent durchlaufen, führen zu Nachfrage und einer wettbewerbsfähigen Position am Markt. Denn so wird sichergestellt, dass sie ebenso einzigartig wie innovativ sind und dem Kunden einen echten Mehrwert bieten.
FAZIT: Für starke Marken braucht es Mut, Aufmerksamkeit und Ausdauer
Der Schlüssel zum Aufbau einer starken und wertvollen Marke sind also nicht große Werbebudgets und noch kreativere Menschen mit noch emotionaleren Kampagnen. Es ist die Haltung, mit der ich einen Prozess gestalte und mit der ich den beteiligten Menschen begegne. Für die Praxis lassen sich daraus 5 Erfolgsfaktoren ableiten, wie Design Thinking in der Markenführung erfolgreich eingesetzt werden kann:
- stelle das eigene Tun permanent in Frage und entwickeln Sie Freude am Scheitern
- führe Analysen und Beobachtungen im realen Umfeld durch, um nicht nur zu verstehen, sondern zu fühlen, was den Kunden bewegt
- erkenne auch „unbequeme“ Erkenntnisse und Informationen an und beziehen Sie diese konsequent in die Ideenentwicklung ein
- setze früh einen Lernprozess in Gang, um unnötige Investitionen zu vermeiden
- plane ausreichend Zeit und Budget ein, um nicht die erst beste, sondern die richtige Strategie zu finden
Gelingt es trotz aller Restriktionen im Arbeitsalltag diese Erfolgsfaktoren zu integrieren und die Haltung in der Kultur zu verankern, kann Design Thinking in der Markenstrategie zum gewünschten Unternehmenserfolg beitragen ohne exorbitante Kosten zu verursachen.
Dieser Artikel ist am 10.08.2021 auf LinkedIn erschienen.
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